Erodieren

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Erodieren ist ein thermisches Bearbeitungsverfahren, bei dem ein elektrisch leitendes Material (z.B. Titan, Stahl, Aluminium) mithilfe von Elektroerosion bzw. Funkenerosion abgetragen wird. Das Funktionsprinzip, des Erodierens sind elektrische Entladevorgänge zwischen einem Werkstück aus leitendem Material und einer Elektrode, die als Werkzeug dient. Beim Bearbeitungsvorgang werden durch die fortlaufenden Entladungen (mehrere Tausend pro Minute) Funken freigesetzt.

Deshalb wird dieses technische Verfahren in der DIN 8580 als funkenerosives Abtragen bezeichnet. Synonym ist auch die Rede von funken- oder elektroerosivem Bearbeiten. Das Kürzel EDM (für „Electrical Discharging Machining“) steht im Englischen für das Erodieren.

Als Bearbeitungstechnik wird das Erodieren vor allem dann genutzt, wenn Werkstücke in höchster Präzision bearbeitet werden sollen.

Wie funktioniert dieses Bearbeitungsverfahren?

Das Erodieren beruht auf einer simplen Verfahrensweise. Als Werkzeug fungiert eine Elektrode, die das Werkstück jedoch nicht berührt, sondern in einem geringen Abstand herangeführt wird. Innerhalb des entstehenden schmalen Spaltes zwischen dem zu bearbeitenden Objekt und der Elektrode fließt ein elektrischer Strom. Es kommt zur Entladung über Funken, bei der Material vom Werkstück abgetragen wird. Dafür sorgen die extrem hohen Temperaturen zwischen 8.000 und 12.000 Grad Celsius, die beim Erodieren entstehen. Prinzipiell kann jedes Material, das Strom leitet, mittels Erodieren bearbeitet werden. Wie viel Material abgetragen wird, richtet sich nach der Polung, der Spaltbreite, Dauer und Intensität der Bearbeitung sowie weiteren Faktoren.

Die Entladungsvorgänge und damit das Abtragen von Material findet in einem nichtleitenden Medium statt, das als Dielektrikum bezeichnet wird. Meist handelt es sich dabei um Mineralöl oder de-ionisiertes Wasser. Die Flüssigkeit befindet sich entweder in einem Becken oder wird mit Schläuchen an den Arbeitsbereich herangeführt und umspült Werkstück und Elektrode während des Bearbeitungsvorgangs. Das Dielektrikum gleicht die extrem hohen Temperaturen beim Erosionsprozess aus und transportiert das abgetragene Material ab.

Wodurch unterscheidet sich Erodieren von anderen Fertigungstechniken?

Der Umfang des Materialabtrages kann beim Erodieren absolut präzise gesteuert werden. Im Unterschied zu herkömmlichen Bearbeitungsverfahren wie beispielsweise Fräsen oder Honen können beim Erodieren auch komplexe geometrische Formen, filigrane Konturen, minimale Radien und winzigste Bohrungen gefertigt werden. Dabei liegen die Maßabweichungen im Bereich von wenigen tausendstel Millimetern.

Die blitzblanken Oberflächen nach dem Erodieren sind von höchster Güte und weisen nur minimale Rautiefen (oft im Bereich von Ra 0,1) auf. Damit verringert sich der Aufwand für notwendige Nacharbeiten wie Schleifen oder Polieren.

Selbst härteste Materialien (z.B. Titan, gehärteter Stahl und andere Hartmetalle) wie auch ausgefallene Metalllegierungen und leitfähige Keramiken können erodiert werden. Sollen derartige Materialien mit anderen Zerspanungstechniken bearbeitet werden, erfordert das zumeist einen erheblichen Mehraufwand, wenn nicht das herkömmliche Verfahren sogar versagt.

Erodieren: Verfahrensweisen im Überblick

Drahterodieren (Elektrodrahterosion)

Beim Drahterodieren wird das Material mithilfe eines dünnen, elektrisch geladenen Metalldrahtes abgetragen. Meist handelt es sich dabei um Messingdraht. Mitunter werden auch Kupferdraht oder beschichtete Drähte eingesetzt.

Die Maschine führt den positiv geladenen Draht mittels numerischer Steuerung exakt im geringen Abstand am negativ gepolten Werkstück entlang. Und zwar solange bis die Fertigung der zuvor programmierten Form abgeschlossen ist. Im Verlauf der dabei stattfindenden Entladungen bewegt sich das abgetragene Material vom Werkstück hin zum Draht.

Da während des Bearbeitungsvorgangs auch der Draht erodiert, muss von einer Spule kontinuierlich neuer Draht zugeführt werden. Der verschlissene Draht wickelt sich auf eine meist hinter der Maschine positionierte Spule, die später entsorgt wird. Die Geschwindigkeit, mit der sich der Draht abwickelt, lässt sich über die Maschine steuern und anpassen.

Senkerodieren (Senkerosion)

Beim Senkerodieren werden Formen aus Kupfer oder Granit als Elektroden eingesetzt. Diese Elektroden sind so geformt, dass sie ziemlich genau das Negativ der gewünschten Form darstellen.

Mit diesem Verfahren lassen sich auch dreidimensionale, komplex gewölbte Formen herstellen. Daher wird das Senkerodieren beispielsweise im Formenbau bei der Fertigung von Gießformen genutzt.

Bohrerodieren

Ist es erforderlich, Löcher zu bohren, kann dies mitunter mittels eines eingeführten Drahtes (also über Drahterodieren) realisiert werden. Für bestimmte Bohrungen (z.B. Sacklochbohrungen) ist diese Verfahrensweise jedoch nicht zielführend. Derartige Herausforderungen können mit dem Bohrerodieren gemeistert werden. Dabei werden rotierende, elektrisch geladene Röhrchen aus Kupfer oder Messing als Elektroden eingesetzt.

Scheibenerodieren

Beim Scheibenerodieren werden rotierende Scheiben (meist aus Kupfer oder leitfähigem Graphit) als Elektroden genutzt.

In welchen Bereichen kommt das Verfahren zum Einsatz?

Da das Erodieren hoch präzise Ergebnisse verspricht, wird diese Fertigungstechnik in vielen Branchen angewendet. Dazu gehören der Maschinenbau, der Werkzeug- und Formenbau sowie die Herstellung von Motoren. Sowohl im Kraftfahrzeugbau als auch bei der Produktion von Bauteilen für die Luft- und Raumfahrttechnik wird ebenfalls erodiert.

Inzwischen haben die Hersteller von EDM-Maschinen den Produktionsprozess so weit optimiert, dass sich selbst Kleinserien oder sogar Einzelstücke mit dem Verfahren des Erodierens ökonomisch fertigen lassen. Aufgrund dieser Tatsache und wegen der extrem hohen Maßgenauigkeit ist das Erodieren auch für die Medizintechnik attraktiv. Es wird beispielsweise für die Herstellung von Knie- oder Hüftknochenimplantaten genutzt.[1]

Da die Maschinen mit vertretbarem Aufwand für jedes gewünschte Fertigungsteil eingerichtet werden können, eignet sich das Erodieren auch für die Fertigung von Prototypen in geringer Stückzahl.

Hersteller von Erodier-Maschinen

Zahlreiche namhafte Werkzeugmaschinenhersteller bieten auch Maschinen zum Erodieren an. Hier eine (unvollständige) Übersicht:

Aktuelle Forschung zum Thema Erodieren

An der Technischen Universität Dresden gibt es ein Forschungsfeld zur Mikro-, Präzisions- und Ultrapräzisionsbearbeitung. Ein Schwerpunktthema, dem sich die Wissenschaftler hier widmen, ist die Mikrobearbeitung durch spanende und abtragende Verfahren mit dem Schwerpunkt Senk- und Drahterodieren. Ein weiteres Forschungsthema ist die Ultrapräzisionsbearbeitung von Halbleitersilizium und Konstruktionskeramik. Hierbei wird neben Verfahren wie dem Schleifen, Honen und Läppen auch das Erodieren untersucht.[2]

An der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen (RWTH Aachen) existiert ein Werkzeugmaschinenlabor (WZL), in dem seit Jahrzehnten zum Fachgebiet der Produktionstechnik geforscht wird. Neben der Grundlagenforschung werden hier auch praxisnahe Forschungsvorhaben realisiert, die darauf abzielen, innovative Lösungsansätze zur Rationalisierung der industriellen Produktion zu entwickeln.[3]

Ein Forschungsansatz, der in der Abteilung „Abtragende Fertigungsverfahren“ verfolgt wird, widmet sich dem Erodieren von Magnesium. In der Medizintechnik wird Magnesium für temporäre Implantate benutzt, die sich im Körper auflösen, wenn sie nicht mehr benötigt werden. Zum Bearbeiten dieses Werkstoffes mittels Funkenerosion gibt es jedoch bisher keine Erfahrungswerte.

Mit dem Ziel, das Erodieren von Magnesium zu optimieren, um Implantate mit winzig kleinen Kanälen fertigen zu können, arbeitete der Forscher Max Schwade am WLZ in Aachen. Er testete und dokumentierte den Einfluss bestimmter Parameter auf das Senkerodieren von Probewerkstücken aus Magnesium.[4]

Abtragende Verfahren und Fertigungseinrichtungen sind Gegenstand einer Lehr- und Forschungsgruppe an der Technischen Universität in Chemnitz. Zum Themenbereich Erodieren gibt es aus diesem Forschungszusammenhang eine ganze Reihe interessanter Veröffentlichungen (s.u.).

TU Chemnitz Forschungsseminare zum Thema Erodieren

Einfluss der Spülbedingungen beim großflächigen EC-Senken mit oszillierender Achse auf die konstruktive Anlagengestaltung

Anforderung an die Anlagen- und Elektrodengestaltung beim EC-Senken

Entwicklung und konstruktive Gestaltung einer Analysevorrichtung zur Ermittlung des werkstoffspezifischen Auflösungsverhaltens bei der EC-Bearbeitung

Das Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionsanlagen (Fraunhofer IPK) in Berlin widmet sich der Grundlagenforschung wie auch der industriellen Anwendung der Fertigungstechnik des Senkerodierens. Ziel sind eine Erhöhung des möglichen Abtrags sowie die Reduktion des Elektrodenverschleißes. Den Wissenschaftlern und Ingenieuren gelang es, den Verschleiß von Elektroden im Mikrobereich um mehr als die Hälfte zu senken. Die Anwendung dieser Elektroden beim Herstellen von Mikrobohrungen für Einspritzdüsen wird ebenfalls erforscht. In Kooperation mit dem Hersteller von Erodier-Maschinen „Zimmer & Kreim“ arbeiten Wissenschaftler des Institutes daran, den EDM-Prozess zur Produktion von Abformwerkzeugen zu optimieren.

Ein weiteres Forschungsprojekt im Verbund mit dem Triebwerksproduzenten „MTU Aero Engines“ soll zur Optimierung der Bearbeitung von Turbinenbauteilen beitragen. In diesem Zusammenhang werden Werkzeugmaschinen zum Erodieren von Bauteilen aus Nickellegierungen modifiziert und neue Materialien für Elektroden getestet.[5]

Literatur zum Thema

Diplom-, Bachelor- und Masterarbeiten zu Fragestellungen des Erodierens an der Fachhochschule Münster

  • H. Doth: Optimierung der Bearbeitung verschiedener Werkstücke mit der Funkenerosion.
  • M. Haag: Empirische Ermittlung optimaler Parameter für das Erodieren von Kühlbohrungen in die CF34 Leitschaufeln.[6]

Studienarbeiten am Fachbereich Mikrofertigungstechnik der Technischen Universität Chemnitz:

  • Experimentelle Untersuchungen zum Mikro-Erodieren von Hochleistungskeramiken
  • Untersuchungen zum Einfluss der Elektrolyttemperatur bei EC Abtragen mit geschlossenem Freistrahl
  • Entwicklung eines Systems zur optischen Überprüfung der Elektrodenposition beim Mikro-Funkenerodieren[7]

Veröffentlichung zum Erodieren von Magnesium:

  • Klocke, F., Schwade, M., Klink, A., Kopp, A. (2011): “EDM machining capabilities of Magnesium (Mg) alloy WE43 for medical applications”, CIRP CSI, Bremen.[8]

Weiterführende Suche

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